Parkhaus mit

integrierter

Energiezentrale

Dort, wo früher der Güterbahnhof Stuttgart Bad Cannstatt angesiedelt war, entsteht in den nächsten Jahren das gemischt genutzte Quartier Neckarpark. Auf dem 22 Hektar großen Areal, das energetisch und umweltpolitisch eine Vorreiterrolle einnehmen soll, werden einmal 2000 Menschen leben und arbeiten. So ist vorgesehen, dass 30 Prozent der gesamten Fassadenfläche begrünt ist und das Quartier über eine eigene nachhaltige Energieversorgung verfügt. Da sich das Quartier in einem Heilquellenschutzgebiet befindet, können in dem Wohngebiet nur eine geringe Zahl von Stellplätzen in Tiefgaragen untergebracht werden. So entstand die Idee, ein Parkhaus zu errichten, das neben Autos und Fahrrädern auch die Energiezentrale beherbergt.

Offen vs. geschlossen

Bei der Realisierung galt es, eine Vielzahl scheinbar gegensätzlicher Vorgaben in Einklang zu bringen: Die Gebäudehülle etwa sollte so konzipiert werden, dass für das Wohnquartier ein Schallschutz gewährleistet werden kann. Zugleich sollte das Parkhaus über eine natürliche Durchlüftung verfügen. Während ersteres eine möglichst geschlossene Fassade erfordert, setzt letzteres eine hohe Luftdurchlässigkeit, also eine eher offene Fassade voraus. Hinzu kommt die Forderung nach einer begrünten Fassade, obgleich der Rahmenplan für das Quartier kein bodengebundenes Grün vorgesehen hat.

Daraus entstand die Idee einer Konstruktion mit großen Spannweiten und einer multifunktionalen Fassade: So bildet die außenliegende Stahlkonstruktion aus rautenförmigen Stahlträgern mit einer Stahlbetonverbunddecke zugleich die Hauptkonstruktion und Hülle des Gebäudes. Über der Stahlkonstruktion spannt sich auf der Süd-, Ost- und Westseite ein Edelstahlnetz, das als Absturzsicherung und als Rankhilfe für die Begrünung und als natürliche Belüftung dient.

Die Vielseitigkeit der Anforderungen haben wir als Potenzial verstanden und uns auf die Suche nach einer spezifischen Lösung begeben.

Markant, aber angemessen

Die Nordseite ist vollflächig mit farbigen Elementen aus bedrucktem Glas belegt, die in verschiedenen Grüntönen schimmern und den Schall- und Blendschutz zur angrenzenden Wohnbebauung gewährleisten. Gleich einer Schuppenhaut sind die Elemente schräg überlappend und luftdurchlässig angeordnet. Auf diese Weise werden Lärmemissionen aus dem Quartier ferngehalten und frische Luft als natürliche Belüftung ins Innere des Gebäudes geführt.

Auf der Ostseite bildet das Gebäude eine Raumkante für den geplanten Quartiersplatz. Von dort erfolgt die fußläufige Haupterschließung über eine rote Treppenskulptur, die von weitem erkennbar ist. Das Pendant dazu: die ebenfalls markante rote Fluchttreppe auf der Westseite. Die Ein- und Ausfahrten in das Parkgebäude werden hier durch ein L-förmiges Vordach markiert. Die PKW-Stellplätze verteilen sich auf fünf Obergeschosse und ein Untergeschoss. Aufgrund der Stahlverbund-Skelett-Konstruktion der Decken konnten die oberirdischen Parkierungsebenen stützenfrei ausgebildet werden.

Das Orientierungssystem von Studio Tillack Knöll, eben­falls in Rot gehalten, nimmt Bezug zur Farbgestaltung des Parkhauses und macht so auf sich aufmerksam. Symbole an den Zugängen und vereinfachte Abbildungen der einzelnen Ebenen leiten durch das Gebäude. Vereinzelte Informationen an den Wänden sowie am Aufzugsschacht erzählen von den Funktionen des Gebäudes und seinen energetischen Aspekten.

Voller Energie

Im Erd- sowie im Untergeschoss befindet sich auch die Energiezentrale. Sie sichert die Versorgung des gesamten neuen Quartiers, das heißt den Wärmebedarf von etwa 850 Wohneinheiten, Gewerbeflächen und einem Sportbad. Durch eine transluzente Fassade im Erdgeschoss markiert sie die städtebaulich wichtige Sichtachse von der Mercedesstraße in das neue Quartier. Der Gedanke der Nachhaltigkeit wird auf dem Dach des Parkhauses fortgeführt: Hier findet sich nicht nur Begrünung, sondern auch großflächig angeordnete Photovoltaik, die die Energieversorgung des Quartiers zusätzlich unterstützt.

In die Zukunft gedacht

Um der energetischen und umweltpolitischen Vorreiterrolle des Quartiers perspektivisch gerecht zu werden, haben die ArchitektInnen einen Ausbau der Elektromobilität mitgedacht. So ist vorgesehen, dass der Anteil der Stellplätze für Elektrofahrzeuge von zunächst 20% auf 100% erhöht wird, die entsprechende bauliche Infrastruktur wurde gleich realisiert. Die umfangreichen Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, E-Bikes und Lastenräder in der Fahrradgarage sollen darüber hinaus ein Umdenken in Bezug auf alternative Mobilitätskonzepte anregen und den motorisierten Individualverkehr möglichst weit reduzieren. Ein bewusster Nebeneffekt: Die Fahrradgarage sowie eine Fahrradwerkstatt in Richtung der Benzstraße sorgen für eine Belebung des Erdgeschosses

Das Quartiersparkhaus Neckarpark hat die Auszeichnung Beispielhaftes Bauen 2019-2023 der AKBW erhalten.

Projektinformation

Projektname: Energieparkhaus Neckarpark

Ort: Stuttgart

Projektart: Neubau

Fertigstellung: Juni 2021

Bauherr: Landeshauptstadt Stuttgart Tiefbauamt, Amt für Umweltschutz, Stuttgart/DE

Kooperation: Mayr I Ludescher I Partner, Stuttgart / DS-Plan, Stuttgart / IBS Ingenieurgesellschaft mbH / Ingenieurbüro Werner Schwarz GmbH, Stuttgart / Ingenieurbüro Neckermann & Partner, Gerlingen / Geotechnik Stuttgart, Stuttgart / Studio Tillack Knöll, Stuttgart

Projektteam: Angelika Babucke, Ralph Stäcker, Hannah Kölbl, Onur Canvarol, Martina Rauh, Bárbara Riera Menéndez, Henriette Commichau, Raphael Dietz, Marisa Suttner, Laura Selwood, Carolina Estrada, Eugen Grass, Bernhard Heinnickel und Hans- Georg Heel

Bilder: Zooey Braun

Auszeichnung: Bespielhaftes Bauen Stuttgart 2019-2023