
Cem Arat im Gespräch
2005, also vor 20 Jahren, haben wir den internationalen Realisierungswettbewerb für die Mohammed bin Rashid Library in Dubai gewonnen. In den beiden darauffolgenden Jahren haben wir in einem interdisziplinären Team mit der Firma Obermayer (München), die die Haustechnik, das Tragwerk, die Freianlagen und die Verkehrsplanung übernommen haben, den Entwurf ausgearbeitet. 2022, also 17 Jahre später, wurde das Gebäude fertiggestellt. Für die Umsetzung vor Ort war die ACG Group/Architects verantwortlich.
Die Mohammed bin Rashid Library markiert mit ihrem Fundus aus 1,7 Millionen Werken nicht nur einen bedeutenden Wissensort. Sie ist auch ein Ort der Begegnung, der symbolisch eine Brücke zwischen der östlichen und westlichen Literatur schlägt.

„Es war uns wichtig mit der Kubatur einen Bezug zur islamischen Kultur herzustellen. So entstand die Idee, die Form des Rahle aufzunehmen, der kreuzförmigen Buchstütze für den Koran.“
Was waren die grundlegenden gestalterischen Gedanken des Entwurfs?
Cem Arat: Es war uns wichtig mit der Kubatur des Gebäudes einen Bezug zur islamischen Kultur herzustellen. Und was liegt beim Bau einer Bibliothek näher als eine Analogie zur Literatur herzustellen? Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, die Form des Rahle aufzunehmen, der kreuzförmigen Buchstütze für den Koran.
Wie strukturiert sich der Grundriss? Wie wächst das Gebäude in die Höhe?
Arat: Durch die Analogie zum Rahle haben sich zwei Gebäudeflügel ergeben, die sich um eine offene Mitte herum terrassieren. Der eine Flügel nimmt dabei die östliche Literatur auf, der andere Flügel die westliche. Beide Flügel wurden über Brücken verbunden, um auch räumlich eine Verbindung zwischen der westlichen und östlichen Kultur zu schaffen. Durch die schräg ansteigenden Flügel hat sich ein Luftraum ergeben, der die Lesesäle mit ausreichend Tageslicht versorgt. Ein weiteres wesentliches Gestaltungsmerkmal ist der Sockel des Gebäudes, der aus zwei geneigten, halbkreisförmigen Bauteilen besteht, die sich zueinander neigen. Hier sind die allgemeinen Funktionen untergebracht, wie zum Beispiel das Foyer, Verwaltung und Veranstaltung. Der große Saal schiebt sich als eigenständiger Baukörper aus dem Sockel heraus.


Was macht ein Bibliotheksgebäude im Allgemeinen aus?
Arat: Damals mussten wir feststellen, dass das Verständnis einer Bibliothek hierzulande ein völlig anderes ist. Während es für uns selbstverständlich ist, dass ein Bibliotheksgebäude keine kommerzielle Einrichtung ist, war die Mohammed Bin Rashid Bibliothek zu dieser Zeit tatsächlich eines der wenigen nicht kommerziellen Projekte der Dubai Municipality. Unserer Auffassung nach dient eine Bibliothek, und so auch diese, nicht allein zur Repräsentation, sondern vor allen Dingen als ein Ort, an dem teilweise Jahrhunderte altes Wissen gespeichert wird.
Wie ist das gelungen?
Arat: Es war uns wichtig, einerseits ein umfassendes Büchermagazin zu schaffen, andererseits sollte die Bibliothek auch ein Ort für die BesucherInnen werden. Ein Ort, der mit den Lesesälen für Rückzug und Konzentration und den öffentlichen Räumen für Begegnung und Austausch steht. Eine Herausforderung für uns war, dass die bestehende Bibliothek circa 300.000 Werke umfasste und die neue Bibliothek auf 1,7 Millionen Werke ausgebaut werden sollte. Das war nicht nur ein logistischer, sondern auch ein bibliothekarischer Aufwand.

© Sebastian Böttcher

Was macht die Materialität des Gebäudes aus?
Arat: Das Gebäude ist als Massivbau mit weit auskragenden Bauteilen in den Obergeschossen errichtet. Um ein homogenes Erscheinungsbild von Sockelzone und den oberen beiden Flügeln zu erreichen, wurde die gesamte Fassadenverkleidung in einer Materialität ausgeführt, einem hellen Naturstein.
Welche Aspekte wurden hinsichtlich der Nachhaltigkeit berücksichtigt?
Arat: Nachhaltigkeit und Klimaanpassung haben bei der Planung eine große Rolle gespielt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten herrscht ein extrem heißes und trockenes Klima. Die Herausforderung besteht darin, dass die Gebäude mit ausreichend Tageslicht versorgt werden, dabei aber nicht zu viel Energieeintragung zulassen. Der außenliegende Sonnenschutz ist daher von besonderer Bedeutung. Bei der Bibliothek ist uns in den oberen Geschossen zugutegekommen, dass sich durch die überkragende Fassade ein natürlicher Sonnenschutz ergeben hat. Die helle Natursteinfassade trägt dazu bei, dass viel Sonnenlicht reflektiert wird und eine Überhitzung des Gebäudes verhindert wird. Der Fensterflächenanteil ist moderat gehalten und von einer Glaskonstruktion wurde natürlich abgesehen. Zusätzlich muss bei einem Bibliotheksgebäude zum Schutz der Bücher und Exponate eine moderate Temperatur gewährleistet werden.
Den Artikel von FSB lesen Sie hier: https://www.fsb.de/projekte/mohammed-bin-rashid-library-dubai-fsb-1146

