Eine der modernsten Arenen Europas

Sportbauten sind Wahrzeichen unserer Städte. Sie stiften Identifikation und fungieren als wichtige Erlebnisorte für Fans und ZuschauerInnen. Unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit betrachtet, verkörpern sie jedoch häufig das, wovon die Architektur längst abrücken sollte: Monofunktionale, großmaßstäbliche Neubauten auf grüner Wiese. Dass es auch anders geht, zeigt die MHP Arena. Anlässlich der UEFA EURO 2024 wurde sie nun bereits zum sechsten Mal modernisiert. Die Heimspielstätte des VfB Stuttgart steht damit im Bereich der Sportbauten beispielhaft für die Weiterentwicklung des Bestands als oberste Devise des nachhaltigen Bauens. Und dafür, dass eine der dienstältesten Arenen Deutschlands gleichzeitig auch eine der modernsten sein kann. Vom Bundesumweltministerium wurde unsere Modernisierung als „Good Practice Beispiel“ für Zirkuläres Bauen hervorgehoben.

Was ist neu – ein Überblick

Die wohl größte Maßnahme haben wir direkt am Herzen des Stadions vorgenommen – und das bei laufendem Betrieb. So wurde die in Teilbereichen inzwischen 50 Jahre alte Haupttribüne saniert und bis zu den Membrandachstützen vergrößert. Dadurch konnten wir die Zahl der Businessplätze erhöhen, die Loungeflächen vergrößern und die Flächen für Bar- sowie Essensausgabebereiche nahezu verdoppeln. Durch das Fassungsvermögen der MHP Arena befindet sich der VfB Stuttgart in Besitz des drittgrößten Stadions der Ersten Bundesliga – nach dem Signal-Iduna-Park von Borussia Dortmund und der Allianz-Arena des FC Bayern München. Weiter haben wir die Spieler- sowie Pressebereiche neugestaltet und auch diese Flächen mehr als verdoppelt. Zu den neuen Räumlichkeiten zählen Mannschaftskabinen, Funktionsräume, ein Mediencenter, ein VIP-Bereich sowie eine Produktionsküche. Das wohl größte Highlight unter den Neuerungen: Als exklusiver Businessbereich haben wir Deutschlands ersten Tunnelclub realisiert. Von hier aus erhalten die BesucherInnen einzigartige Einblicke hinter die Kulissen.

Höchste Ansprüche an Funktionalität und Exklusivität – das Erlebnis

Neben den Spieler- und Pressebereichen galt es auch, das Erlebnis für die BesucherInnen auf ein neues Niveau zu heben. So konnten wir im Zuge der Umbaumaßnahmen weitere 917 Businessplätze schaffen. Abgerundet wird das Angebot durch die neue Großküche, in der aus regionalen Lebensmitteln vor Ort frisch gekocht wird. Die neue Haupttribüne fungiert zugleich als ein Konferenz- und Veranstaltungszentrum und macht die MHP Arena nun auch fernab von Fußball- oder anderen Sportveranstaltungen zu einem besonderen Erlebnisort. Das Zentrum mit einer Piano-Bar und Lounge bietet völlig neue Aufenthaltsqualitäten – etwa für Konferenzen, Tagungen oder Messen. Die Räumlichkeiten mit Einzeln-Flächen zwischen 200 und 750 Quadratmeter sind so ausgelegt, dass zeitgleich bis zu acht Konferenzen stattfinden können.

Im Sinne der Nachhaltigkeit – Umsetzung und Betrieb

Die gesamte Umbaumaßnahme steht im Zeichen der Nachhaltigkeit. Der wohl größte Beitrag ergibt sich dabei durch die konsequente Weiternutzung des Bestands, der bereits vorhandenen Infrastruktur sowie durch den größtmöglichen Erhalt der bereits verbauten Grauen Energie. Unser Ziel war es, möglichst viele Materialien im Kreislauf zu halten und weiter- sowie wiederzuverwenden. Im Falle der Haupttribüne ist es uns gelungen, nahezu 100 Prozent des abgebrochenen Betons wieder im Stadion zu verbauen. Hierbei haben wir zusammen mit den Tragwerksplanern schlaich bergermann partner bereits die Planung und Ausschreibung des Rohbaus auf CO2-reduzierten Recyclingbeton ausgerichtet.

Durch unsere Zusammenarbeit mit dem regionalen Abbruchunternehmen Feess sowie dem Betonlieferanten SCHWENK Beton war es uns unter der Federführung der ausführenden Firma Ed. Züblin AG möglich, den Beton aus dem Abbruch der Tribüne später ökologisch sinnvoll wieder im Stadion einzubringen. So konnte der Abbruch nur wenige Kilometer vom Stadion entfernt am Stuttgarter Hafen zu ressourcenschonendem Beton wiederaufgearbeitet werden. Das ist bei einem Bauvorhaben mit einem solch hohen Anspruch an den Beton insofern relevant, als dieser nicht genormt ist und für die Verwendung eine Einzelzulassung notwendig war.  Weitere Bauteile und Materialien, die vor Ort nicht mehr weiterverwendet werden konnten, wurden von dem Start-up Concular katalogisiert, über deren Plattform weiterverkauft und damit im Kreislauf gehalten.

Auch im Betrieb sollen zukünftig Kreisläufe geschlossen werden:  So wurde etwa die Abwärmenutzung von Kälteverbrauchern umgesetzt. Nicht zuletzt wurde das Flutlicht auf LED-Technik umgerüstet und eine Großküche eingebaut, in der mit regionalen Produkten gekocht wird. Teil des Nachhaltigkeitskonzepts ist auch, die neue Haupttribüne als Konferenz- und Veranstaltungszentrum zu nutzen, welches ermöglicht, die umfangreiche Infrastruktur weit über reine Fußball- und Sportveranstaltungen hinaus zu nutzen. Die Nutzungsintensität des Stadions wird dadurch enorm erhöht und verwandelt das Stadion in einen multifunktionalen Erlebnisort.

Einzigartig macht die MHP Arena nicht nur, dass sie nun im Besitz des ersten Tunnelclubs in Deutschland ist. Zu ihren Alleinstellungsmerkmalen zählt außerdem, dass sie die einzige Arena in Europa ist, in die nachträglich eine Mehrzweckhalle integriert wurde. Die SCHARRena befindet sich in der Untertürkheimer Kurve unter den Tribünen und wurde 2011 ebenfalls von asp Architekten realisiert. Sie ist auf internationale, nationale, regionale sowie lokale Sportveranstaltungen ausgelegt und bietet eine Kapazität für bis zu 2.250 ZuschauerInnen. Ein auskragender Baukörper und eine vollverglaste Erschließung verleihen ihr einen eigenständigen architektonischen Ausdruck.

Das textile Membrandach der MHP Arena war außerdem das erste seiner Art in ganz Europa. Vorreiter war die Arena auch in technischer Hinsicht: Sie verfügte über die seinerzeit erste Video-Vollmatrix-Anzeigetafel in Farbtechnik in Deutschland.

Projektinformation

Name: MHP Arena

Ort: Stuttgart

Projektart: Umbau und Modernisierung

Jahr: seit 2003

Bauherr: Stadion NeckarPark GmbH & Co. KG

Kooperation: sbp schlaich bergermann partner (Tragwerk), IGH Stuttgart (TGA mechanische Gewerke)
Ebert Ingenieure GmbH (TGA ELT/FMT), gla  gessweinlandschaftsarchitekten (Freianlagen), candela gmbh lighting design

Projektteam: Architektur: Angelika Babucke (Projektleitung), Irene Schweizer, Sonja Blessing, Claudia Maurer, Gema Diaz-Matthias, Nabil Salahat, Jens Maier, Meztli Orozco, Anika Schlosser
Innenarchitektur: Judith Kappes (Projektleitung), Vera Kohler, Sabine Kühn, Marie Rünzi, Luiza Bignardi, Kathrin Niehus, Alexandra Wittmann

Bilder: Zooey Braun / Swen Carlin / Visualisierungen: asp Architekten